
Wann wird der Kommerz auch bei FIFA Einzug halten? Die Werbebanden sind ja ein alter Hut und Sponsoreinblendungen schockieren mich auch nicht, ABER was ich erwarte, ist der Satz: „Bevor wir zum Anstoß runtergeben, schalten wir noch einmal kurz ins Funkhaus um ein wenig Geld zu verdienen“. Oder Werbeblöcke in der Halbzeitpause. Seit selbst bei RAN-Berichten Werbung in der Halbzeit gesendet wird, teilweise so lang, dass ich bis zum Ende vergessen habe, was ich da eigentlich sehe, warte ich auf den nächsten Schritt, der in den USA bereits bei der WM ´94 zum Einsatz kam. Da der Antrag des amerikanischen Fußballverbandes die Spiele in Drittel zu teilen um mehr Werbung unterbringen zu können, abgelehnt wurde, haben die Fernsehmacher Neuland betreten und kurzer Hand Radiowerbung während des Spiels gesendet. Schöne Vorstellung. Hirnrissige Slogans mit eintöniger Musik martern mein Hirn, während ich mich auf ein Spiel zu konzentrieren versuche.
Schön könnte man Werbung auch von den Kommentatoren einbringen lassen, die dann nach Sponsoren bezahlt werden, die sie erwähnt haben. „Ein böses Foul und die Flecken auf seiner Hose. Um die zu entfernen nimmt die kluge Hausfrau Persil Ultra“ oder „Da haben ihn die Verteidiger so frei gelassen, wie man sich sonst nur mit Carefree fühlt!“ oder „Der Stürmer legt sich den Ball zurecht. Hoffentlich ist der Torsteher Allianz versichert.“.
Doch lassen wir diese negativen Auswüchse mal beiseite und loben doch mal die vielen Vorzüge, die uns das Gerangel um all das Geld im Fußball bringt. Nicht nur das wir Spitzenspieler in Spitzenteams im Fernsehen gezeigt bekommen, nein, wir bekommen gar nichts mehr gezeigt. Das Zauberwort heißt Pay-TV. Saßen früher Generationen von Zuschauern daheim vorm Fernseher bei Chips und Bier, glänzten vor ihrer Frau mit Fußballsachverstand, ist heutzutage nur noch der wohlkonstituierte Fernsehkonsument dazu in der Lage. Alle Anderen müssen hoffen, einen Bekannten mit Premiere World und einer großen Wohnung zu haben oder sie ziehen los und suchen eine Kneipe, die ihr Spiel überträgt. So wie ich am Dienstag. Ich und anscheinend halb Deutschland.
Wahrscheinlich haben sich die Fernsehsender über die ungewöhnliche Quotenverteilung gewundert, denn noch nie dürfte die weiblich Zielgruppe so stark in der Übermacht gewesen sein, wie an diesem Tag. Und übertragen wurde nur das Championsleague-Viertelfinale. Ich habe bislang selten so eine volle Kneipe erlebt. Dicht gedrängt stand ich an eine Tür gequetscht und musste jedes Mal, wenn die Bedienung vorbei wollte, oder ein Gast auf die Toilette musste oder sich auch nur mal ein wenig die Beine vertreten wollte, eine akrobatische Verrenkung vollziehen, um zumindest einen minimalen Durchgang zu schaffen.
Ein Phänomen ist auch, dass wirklich jeder, der in eine volle Kneipe kommt, an deren Ende eine große Videoleinwand angebracht ist, sich erst mal nach ganz vorne durchdrängeln muss um dort erstaunt fest zu stellen, dass hier ja doch kein Sitzplatz mehr frei ist. Als ob wir Deppen nicht vorher auch schon auf die Idee gekommen wären. Und alle quetschten sich an mir vorbei und auch wieder zurück und ich verrenkte mich. Doch immerhin kam echte Stadionatmosphäre auf. Der Hintermann brüllte mir ins Ohr, der Vordermann entlüftete aus allen Rohren und aus allen Richtungen drangen Gerüche echter Männer an mich. Die Raumtemperatur schien fast die Personenzahl zu übersteigen, wobei der Sauerstoffgehalt rapide gegen 0% sank. Alle fieberten mit, mein Hintermann brüllte mir wieder unsinnige Kommentare ins Ohr, worauf ein paar Leute lachten.
Dachte ich während der ersten Hälfte, es wäre eng, hatte ich die Rechnung ohne den Ansturm auf die Toiletten und den Ausgang während der Halbzeitpause gemacht. Nicht nur dass anscheinend jeder seinen Platz fast zwanghaft zu verlassen schien, es drängten auch aus allen Ecken Leute, die die Gunst der Stunde nutzen und sich eine bessere Sicht verschaffen wollten. Es ging nichts mehr.
Zu Beginn der zweiten Halbzeit beruhigte sich die Lage wieder und mit steigendem Pegel wurden die Kommentare meines Hintermanns zwar nicht kompetenter doch auf seine Art lustiger. Ginge es nach ihm, wäre jeder Gegner umgetreten und dafür noch mit einer roten Karte bestraft worden. Als dann noch das entscheidende 1:0 für sein Team fiel, war der Jubel grenzenlos. „Denen haben wir es gezeigt!“ Gut, ich hatte „denen“ nichts gezeigt und ich denke auch er nicht, doch war die Freude überwältigend.
Das Spiel war gut und der Kneipenbesuch ein Erlebnis. Mit meinem Hintermann habe ich mich direkt zum Rückspiel verabredet. Dieser Genuss wäre mir ohne Premiere World vorenthalten geblieben. Doch weiß ich nicht, wie groß meine Freude wäre, könnte man FIFA nur noch in Kneipen spielen. Und die unendlich lange Vorberichterstattung war ohne Werbung ehrlich gesagt keinen Deut besser. Also werde ich, solange EA-Sports keine Werbung bei FIFA einbaut, bei meinen Spielen die Rolle übernehmen und wenn meine Abwehr beim versuchten Befreiungsschlag mal wieder den gegnerischen Stürmer anschießt, lautet mein Kommentar lapidar: „Die schwimmen sogar in Milch!“