Habe auf blau-schwarz.com einen sehr interessanten Artikel gefunden, den ein User in der FAZ gelesen hat.
[quote]Lebenslange Vereinstreue - das war einmal
Von Manfred Weise
Schwere Zeiten für den Amateur-Fußball
03. August 2006
Während die Profivereine in der Fußballsaison 2006/07 wieder mehr mit Zuschauerrekorden rechnen, stellt sich die Lage bei den Amateurvereinen wenig rosig dar. Dieter Degenhart, langjähriger Präsident des Bayernliga-Vereins FC Memmingen, denkt lieber an frühere Zeiten zurück. In den fünfziger und sechziger Jahren zählte der FCM im Schnitt über 1000 Zuschauer pro Spiel, heute sind es kaum mehr als 400 - was nur einen Bruchteil des Etats deckt. Und auch der sechzigjährige Lutz Grüneberg, Präsident und früherer Spieler des FC Konstanz, klagt: „Während Anfang der siebziger Jahre im Schnitt 1200 Zuschauer unsere Spiele besuchten, sind es heute in der fast gleichen Klasse zwischen 200 und 250.“ Andere hat es schlimmer getroffen: Der VfR Heilbronn und Union Böckingen trugen ihre Derbys in den sechziger und siebziger Jahren vor 6000 bis 10.000 Zuschauern aus. Heute spielt der VfR (mittlerweile FC Heilbronn) vor kaum mehr als 300 Zuschauern (Landesliga Württemberg) und Union Böckingen vor 120 (Bezirksliga).
Die Beispiele zeigen: Den Amateurvereinen sind über Jahrzehnte hinweg die Zuschauer davongelaufen - auch wenn einzelne Ligen durch Sonderfaktoren kurzzeitig ihre Zuschauerzahlen erhöhen konnten; etwa die Bayernliga in den achtziger Jahren, als 1860 München wegen Lizenzentzug dort spielen mußte. Genaue Zahlen zum Zuschauerrückgang im Amateurfußball kennen weder der Deutsche Fußball-Bund (DFB) noch die regionalen Fußballverbände, obwohl „das Thema bekannt ist“.
Zuschauerrückgang begann in den achtziger Jahren
So bleibt denn auch unklar, wann der Zuschauerrückgang eingesetzt und ob er sich kontinuierlich oder in Phasen vollzogen hat. Mit der Bundesliga-Einführung 1963 ging offenbar kein Rückgang einher; er scheint in den achtziger Jahren begonnen und sich in den neunziger Jahren fortgesetzt zu haben. Degenhart geht von einem „steten und schleichenden Zuschauerrückgang seit Einführung von Direktübertragungen und der zunehmenden Präsenz der Ersten Bundesliga“ aus. Ein Teil der Amateurspiele-Zuschauer begann, lieber Spiele des nächstgelegenen Bundesligavereins zu besuchen. Andere frönten lieber dem Fußball im Fernsehen, wo mittlerweile jeden Tag Spiele (Bundesliga, Champions League, Tore aus allen europäischen Ligen und Diskussionsrunden) geboten werden.
Sicher ist, daß sich fast das ganze Fußballinteresse auf den Profifußball richtet. Der Fernseh- und Starfußball liefert den Gesprächsstoff, fürs Lokale bleibt nichts mehr übrig, schlimmer: Das Fernsehen löst lokale Bindungen auf. Schließlich hat das Fernsehen die Fußballkonsumenten verwöhnt - das Amateurspiel bleibt gegen das Profispiel ohne Chance. Ein weiterer Grund für den Zuschauerrückgang im Amateurfußball liegt sicher darin, daß sich ein Teil der Zuschauer anderen Freizeitangeboten zugewendet hat. Außerdem findet sich ein hausgemachtes Problem: In nicht wenigen Amateurmannschaften, selbst in unteren Ligen, spielt kaum noch jemand aus dem eigenen Ort.
„ Die sorgen kaum noch für Stimmung“
In den untersten Klassen schätzt Wolfgang Schlosser (FV 09 Breidenbach), als Kreisvorsitzender im Hessischen Fußballverband lange Zeit für mehrere A-, B- und C-Klassen zuständig, den Besucherrückgang auf fünfzig Prozent. Schlosser weiter: „Gewinnt man heute sechsmal nacheinander, kommen nicht mehr Zuschauer. Und die sorgen kaum noch für Stimmung, wie es früher bei Derbys der Fall war.“ Stärker vom Zuschauerrückgang betroffen sind offensichtlich Stadtteilklubs in Bundesliga-Städten und höherklassige Amateurvereine aus dem Einzugsgebiet von Profivereinen. So zählte etwa der FV Engers in der Saison 1951/52 in der Südwest-Oberliga - damals noch mit 1. FC Saarbrücken und 1. FC Kaiserslautern - im Schnitt 2547 Zuschauer pro Heimspiel. Von 2002 bis 2005 waren es - ebenfalls in der Oberliga Südwest - zwischen 320 und 650 Zuschauer. Ligakonkurrent Eintracht Bad Kreuznach zählte 1951/52 im Schnitt 5000 Zuschauer, heute sind es nicht einmal 300 Zuschauer.
Eine bislang unbeantwortete Frage: Wie viele Zuschauer gehen überhaupt zu Amateurspielen? Der Amateurfußball (C-Klasse bis Oberliga) zählt schätzungsweise noch 2,35 Millionen Zuschauer pro Spieltag. Dieser Summe liegt eine Zahl von schätzungsweise 60.000 Amateurmannschaften zugrunde, was 30.000 Begegnungen pro Spieltag entspricht. Die Hochrechnung nimmt etwa pro Oberligaspiel 600 Zuschauer, pro Verbandsliga 250 und pro höchste Kreisklasse 80 Zuschauer an. Die 2,35 Millionen sind nur ein Bruchteil von früher, aber noch immer rund viermal mehr Zuschauer als im Profifußball (Erste und Zweite Bundesliga sowie Regionalliga kamen 2004/05 zusammen auf einen Spieltagsschnitt von 522.000 Zuschauern).
Weniger Amateur- und mehr Jugendmannschaften
Der Memminger Klubpräsident Degenhart glaubt, daß der „Zuschauerrückgang im Amateurfußball noch nicht am Ende ist“. Als Problem stellt sich für die Vereine die Überalterung der Zuschauer dar. Es fällt auf, daß die Vereine junge Menschen und Familien nicht genügend erreichen. Zu allem Unglück scheint eine Identifikation bei den Jungen nicht zu gelingen. Bis zur D-Jugend haben viele Vereine enormen Zulauf, ehe dann viele Junioren in der C-, B- und A-Jugend wieder aufhören. Die Abbrecher werden nicht zu Zuschauern - wie auch viele Vereinsmitglieder nicht mehr die Spiele der eigenen Mannschaft besuchen. Lebenslange Vereinstreue und der Fußballplatz als Ort lokaler Zugehörigkeit - das war einmal.
In den letzten Jahren ist in den unteren Amateurklassen die Zahl der Mannschaften ganz leicht zurückgegangen - während sie im unteren Juniorenbereich zugenommen hat. Jedoch sieht der Münsteraner Sportsoziologe und Amateurfußball-Spezialist Dieter Jütting „keinen Rückgang der Vereinszahlen und keinen Mitgliederschwund“: „Es lassen sich keine Trends erkennen, daß Fußballvereine verschwinden oder es zu einer Ausdünnung wie bei den Postfilialen und Bankzweigstellen kommt.“ Aber hohe Zuschauerzahlen im Amateurfußball gehören der Vergangenheit an. Eine Entwicklung, die kein rein deutsches Phänomen ist. Sie gilt auch für andere europäische Länder.
Text: F.A.Z. vom 3. August 2006[/quote]
[quote]Lebenslange Vereinstreue - das war einmal
Von Manfred Weise
Schwere Zeiten für den Amateur-Fußball
03. August 2006
Während die Profivereine in der Fußballsaison 2006/07 wieder mehr mit Zuschauerrekorden rechnen, stellt sich die Lage bei den Amateurvereinen wenig rosig dar. Dieter Degenhart, langjähriger Präsident des Bayernliga-Vereins FC Memmingen, denkt lieber an frühere Zeiten zurück. In den fünfziger und sechziger Jahren zählte der FCM im Schnitt über 1000 Zuschauer pro Spiel, heute sind es kaum mehr als 400 - was nur einen Bruchteil des Etats deckt. Und auch der sechzigjährige Lutz Grüneberg, Präsident und früherer Spieler des FC Konstanz, klagt: „Während Anfang der siebziger Jahre im Schnitt 1200 Zuschauer unsere Spiele besuchten, sind es heute in der fast gleichen Klasse zwischen 200 und 250.“ Andere hat es schlimmer getroffen: Der VfR Heilbronn und Union Böckingen trugen ihre Derbys in den sechziger und siebziger Jahren vor 6000 bis 10.000 Zuschauern aus. Heute spielt der VfR (mittlerweile FC Heilbronn) vor kaum mehr als 300 Zuschauern (Landesliga Württemberg) und Union Böckingen vor 120 (Bezirksliga).
Die Beispiele zeigen: Den Amateurvereinen sind über Jahrzehnte hinweg die Zuschauer davongelaufen - auch wenn einzelne Ligen durch Sonderfaktoren kurzzeitig ihre Zuschauerzahlen erhöhen konnten; etwa die Bayernliga in den achtziger Jahren, als 1860 München wegen Lizenzentzug dort spielen mußte. Genaue Zahlen zum Zuschauerrückgang im Amateurfußball kennen weder der Deutsche Fußball-Bund (DFB) noch die regionalen Fußballverbände, obwohl „das Thema bekannt ist“.
Zuschauerrückgang begann in den achtziger Jahren
So bleibt denn auch unklar, wann der Zuschauerrückgang eingesetzt und ob er sich kontinuierlich oder in Phasen vollzogen hat. Mit der Bundesliga-Einführung 1963 ging offenbar kein Rückgang einher; er scheint in den achtziger Jahren begonnen und sich in den neunziger Jahren fortgesetzt zu haben. Degenhart geht von einem „steten und schleichenden Zuschauerrückgang seit Einführung von Direktübertragungen und der zunehmenden Präsenz der Ersten Bundesliga“ aus. Ein Teil der Amateurspiele-Zuschauer begann, lieber Spiele des nächstgelegenen Bundesligavereins zu besuchen. Andere frönten lieber dem Fußball im Fernsehen, wo mittlerweile jeden Tag Spiele (Bundesliga, Champions League, Tore aus allen europäischen Ligen und Diskussionsrunden) geboten werden.
Sicher ist, daß sich fast das ganze Fußballinteresse auf den Profifußball richtet. Der Fernseh- und Starfußball liefert den Gesprächsstoff, fürs Lokale bleibt nichts mehr übrig, schlimmer: Das Fernsehen löst lokale Bindungen auf. Schließlich hat das Fernsehen die Fußballkonsumenten verwöhnt - das Amateurspiel bleibt gegen das Profispiel ohne Chance. Ein weiterer Grund für den Zuschauerrückgang im Amateurfußball liegt sicher darin, daß sich ein Teil der Zuschauer anderen Freizeitangeboten zugewendet hat. Außerdem findet sich ein hausgemachtes Problem: In nicht wenigen Amateurmannschaften, selbst in unteren Ligen, spielt kaum noch jemand aus dem eigenen Ort.
„ Die sorgen kaum noch für Stimmung“
In den untersten Klassen schätzt Wolfgang Schlosser (FV 09 Breidenbach), als Kreisvorsitzender im Hessischen Fußballverband lange Zeit für mehrere A-, B- und C-Klassen zuständig, den Besucherrückgang auf fünfzig Prozent. Schlosser weiter: „Gewinnt man heute sechsmal nacheinander, kommen nicht mehr Zuschauer. Und die sorgen kaum noch für Stimmung, wie es früher bei Derbys der Fall war.“ Stärker vom Zuschauerrückgang betroffen sind offensichtlich Stadtteilklubs in Bundesliga-Städten und höherklassige Amateurvereine aus dem Einzugsgebiet von Profivereinen. So zählte etwa der FV Engers in der Saison 1951/52 in der Südwest-Oberliga - damals noch mit 1. FC Saarbrücken und 1. FC Kaiserslautern - im Schnitt 2547 Zuschauer pro Heimspiel. Von 2002 bis 2005 waren es - ebenfalls in der Oberliga Südwest - zwischen 320 und 650 Zuschauer. Ligakonkurrent Eintracht Bad Kreuznach zählte 1951/52 im Schnitt 5000 Zuschauer, heute sind es nicht einmal 300 Zuschauer.
Eine bislang unbeantwortete Frage: Wie viele Zuschauer gehen überhaupt zu Amateurspielen? Der Amateurfußball (C-Klasse bis Oberliga) zählt schätzungsweise noch 2,35 Millionen Zuschauer pro Spieltag. Dieser Summe liegt eine Zahl von schätzungsweise 60.000 Amateurmannschaften zugrunde, was 30.000 Begegnungen pro Spieltag entspricht. Die Hochrechnung nimmt etwa pro Oberligaspiel 600 Zuschauer, pro Verbandsliga 250 und pro höchste Kreisklasse 80 Zuschauer an. Die 2,35 Millionen sind nur ein Bruchteil von früher, aber noch immer rund viermal mehr Zuschauer als im Profifußball (Erste und Zweite Bundesliga sowie Regionalliga kamen 2004/05 zusammen auf einen Spieltagsschnitt von 522.000 Zuschauern).
Weniger Amateur- und mehr Jugendmannschaften
Der Memminger Klubpräsident Degenhart glaubt, daß der „Zuschauerrückgang im Amateurfußball noch nicht am Ende ist“. Als Problem stellt sich für die Vereine die Überalterung der Zuschauer dar. Es fällt auf, daß die Vereine junge Menschen und Familien nicht genügend erreichen. Zu allem Unglück scheint eine Identifikation bei den Jungen nicht zu gelingen. Bis zur D-Jugend haben viele Vereine enormen Zulauf, ehe dann viele Junioren in der C-, B- und A-Jugend wieder aufhören. Die Abbrecher werden nicht zu Zuschauern - wie auch viele Vereinsmitglieder nicht mehr die Spiele der eigenen Mannschaft besuchen. Lebenslange Vereinstreue und der Fußballplatz als Ort lokaler Zugehörigkeit - das war einmal.
In den letzten Jahren ist in den unteren Amateurklassen die Zahl der Mannschaften ganz leicht zurückgegangen - während sie im unteren Juniorenbereich zugenommen hat. Jedoch sieht der Münsteraner Sportsoziologe und Amateurfußball-Spezialist Dieter Jütting „keinen Rückgang der Vereinszahlen und keinen Mitgliederschwund“: „Es lassen sich keine Trends erkennen, daß Fußballvereine verschwinden oder es zu einer Ausdünnung wie bei den Postfilialen und Bankzweigstellen kommt.“ Aber hohe Zuschauerzahlen im Amateurfußball gehören der Vergangenheit an. Eine Entwicklung, die kein rein deutsches Phänomen ist. Sie gilt auch für andere europäische Länder.
Text: F.A.Z. vom 3. August 2006[/quote]