Wir haben uns mit J1n, Cheftrainer vom VfL Wolfsburg, getroffen. Das Ausnahmeteam der 26.Saison steht an der Tabellenspitze der 1.Liga. Und das völlig unerwartet, denn das eigentliche Ziel der Wölfe, war ein Platz im Mittelfeld. Nun träumen die Wölfe vom ganz großen Coup!
Redaktion: Soeben hat der MSV Duisburg beim 1.FC Kaiserslautern verloren. Es ist die dritte Niederlage deines Konkurrenten in der Rückrunde. Wie ordnest du das Spiel der Zebras ein?
"Sehr untypisch für die Zebras, da sie die Hinrunde ohne Niederlage abschließen konnten. In der Rückrunde dagegen schon drei Niederlagen - wenn es nicht laufen soll, läufts nicht, so ist der Fussball. Knallhart. Viel würde ich da aber nicht hineininterpretieren. Ich denke die nächsten Spiele werden wieder klarer in Richtung der Duisburger laufen. Bin der Meinung, dass Trainer Kevinho die richtigen Lehren aus den Niederlagen gezogen hat."
Redaktion: Derzeit bist du Spitzenreiter der Liga. Mit zwei Spielen und zwei Punkten mehr auf dem Konto führst du die Liga vor dem amtierenden Meister aus Nürnberg an. Wenn wir ehrlich sind, ziemlich unerwartet. Zumindest für uns Externe. Wie erklärst du dir diese Erfolgssaison bisher? Hast du mit so einem Saisonverlauf im Oktober 21, als du bei den Wölfen unterschrieben hast, gerechnet?
"Streng genommen bin ich nur Tabellenführer, weil der 1.FC Nürnberg noch zwei Spiele Rückstand hat LACH. Aber bevor ich den Trainerposten in Wolfsburg angenommen hatte, war ich schon guter Dinge, dass ich da oben mitspielen könnte. Ich bin sehr von meinen Trainerfähigkeiten und meinem Team überzeugt. Als ich im Oktober kam, habe ich ein hungriges Team vorgefunden. Einziges Manko war, dass ich im Winter an Jörg Schmadtke mit der Bitte nach einem neuen Stürmer herangetreten bin, aber leider aufgrund der finanziellen Situation enttäuscht wurde. Dieser Stoßstürmer fehlt uns einfach. Nach der Saison wird auf dieser Position definitiv etwas passieren."
Redaktion: Du sprichst es selber an. Mit Voglsammer hat der treffsicherste Stürmer gerade einmal 7 Tore auf dem Konto, Dagegen sind die Mittelfeldspieler Sebastian Stolze und Amine Harit echte Lebensversicherungen für die Wölfe. Wie erklärst du dir das Phänomen, dass du ohne echten Stürmer an der Tabellenspitze stehst?
"Ganz einfach - Teamarbeit. Mein Team spielt sich die Chancen als kollektiv heraus und so verteilen sich die Tore auf mehrere Schultern. Jedoch muss ich dort meinen Spieler Harit herausnehmen. Er ist echt ein Ausnahmetalent und findet auch in Drucksituationen die richtigen Räume oder hat die technische Raffinesse, um den ein oder anderen Gegenspieler alt aussehen zu lassen. In vielen Spielen hat er den entscheidenen Unterschied gemacht. Im Großen und Ganzen muss ich da meinem Team ein dickes Lob aussprechen - wie sie vorne einfach die Chancen kreiert und wir ohne richtigen Stürmer dennoch so torgefährlich sind, ist nicht selbstverständlich."
Redaktion: Diese Teamarbeit spiegelt sich auch in den Ergebnissen wieder. In den letzten Wochen überzeugte der VfL besonders mit seinen Comebackqualitäten. Wenn man die Ergebnisse der Hinrunde mit den Ergebnissen der bisherigen Rückrunde vergleicht, bekommt man schnell den Eindruck, die Partien seien deutlich enger geworden. Wie siehst du das?
"Diesen Eindruck habe ich ehrlich gesagt nicht. In Frankfurt und bei den Bayern waren in der Hinrunde noch andere Trainer im Amt. Die neuen Trainer bzw. die Interimstrainer sind von der Qualität deutlich besser aufgestellt, sodass diese Spiele sehr umgekämpft waren. Einzig das Spiel gegen Mainz 05 war enger als in der Hinrunde. Das liegt mMn daran, dass Ribery790 aus seinen Fehler aus der Hinrunde gelernt hat und stark verbessert auftritt. Ich bin sehr gespannt, wie diese drei Teams gegen den 1.FC Nürnberg abschneiden werden. Aber wir denken derzeit nur von Spiel zu Spiel..."
Redaktion: In den nächsten beiden Spielen geht es gegen Regensburg und Kiel. Zwei Teams aus der unteren Tabellenregion. Danach geht es gegen den BVB. Mit welcher Ausbeute planst du?
"Wie eben erwähnt, schauen wir von Spiel zu Spiel. Um aber die Meisterschaftsträume am Leben zu halten, sollten aus den drei Spielen 9 Punkte herausspringen. Wir werden uns gut auf diese drei Spiele vorbereiten und versuchen unsere Spielphilosophie auf den Platz zu bringen."
Redaktion: Als abschließende Frage möchte ich nochmal deine Vergangenheit mit reinnehmen. Du warst 2015 Trainer von Hannover 96. Ungefähr 2 Jahre standest du an der Seitenlinie der 96er. Der Verein aus der Stadt, in der du auch lebst. Nach einer Trainerpause bist du nun ausgerechnet zum Lokalrivalen aus Wolfsburg gewechselst und führst die Wölfe vielleicht gar zum VDFB Titel. Wie kommt das in Hannover, deinem Wohnort, an? Und wie planst du über die Saison hinaus?
"Es kommt natürlich auf die Menschen selbst an. Es gibt manche, die finden das gar nicht gut, dass ich für den Lokalrivalen aus der Region arbeite. Andere wiederum nehmen es gelassen und appellieren an das Profi-Dasein. Jedoch ist meine 96 Zeit schon fünf Jahre her und ich fokussiere mich auf den VfL Wolfsburg. Meine Planung ist an einem Vertrag geknüpft und mit Jörg Schmadtke und Marcel Schäfer war sowieso eine längerfristige Tätigkeit angedacht. Zudem brauch ein Neuaufbau immer Zeit und seine ganzen Ziele in nur einer Saison zu erreichen, ist utopisch. Zusammen mit der Geschäftsführung sind wir im Hintergrund schon tatkräftig am Basteln des Kaders fürs die 27.Saison. Ich bin da sehr dankbar, dass wir fähige Menschen innerhalb des Vereins haben, die sich um diese Angelegenheiten, in Rücksprache mit dem Cheftrainer, kümmern. So kann ich mich voll und ganz auf die laufende Saison kümmern."
Wir danken J1n, dass er sich für uns Zeit genommen hat!